05/09/2008

Cimi info-brief 830: Berichterstatter im Fall von Raposa Serra do Sol spricht sich für Beibehaltung der Homologation aus

Gestern, am 27. August, hat sich der Minister des Obersten Gerichts, Carlos Ayres Britto, für die Beibehaltung der Homologation des indigenen Gebiets Raposa Serra do Sol im Nordosten von Roraima ausgesprochen, und damit die gegnerischen Argumente hinsichtlich der Demarkierung als fortlaufendes Gebiet abgelehnt. Nach der Stimmabgabe von Britto, der Berichterstatter des Verfahrens ist, ersuchte Minister Carlos Menezes Direito um Einsicht in die Prozessakten. Damit er den Fall besser analysieren kann, wurde seine Behandlung aufgeschoben.


 


Die Indios, die in Brasília das Verfahren begleiteten, freuten sich über die Positionierung von Britto. „Er hat sich zu unseren Gunsten ausgesprochen. Jetzt warten wir auf die Fortsetzung des Prozesses. Die anderen Minister werden auch gemäß der Verfassung abstimmen“, hofft Dejacir de Silva vom Volk Macuxi.


 


Der erste Teil des Verfahrens 3388, in dem es um die Annullierung des Erlasses zur Grenzfestlegung von Raposa Serra do Sol geht, dauerte einen Tag. Am Vormittag haben die Anwälte der Befürworter und Gegner der Homologation ihre Argumente eingebracht.


 


Der Ex-Minister des Obersten Gerichts und Anwalt des Bundesstaates Roraima, Francisco Rezek meinte, das Höchstgericht werde niemals zulassen, dass die indigenen Völker eines Stück Landes beraubt werden, auf das sie Recht haben. Rezek kritisierte, dass die Legislative aufgrund der Verfassung bei Entscheidungen über Demarkierungen nicht einbezogen ist. Diese Regelung war „ein Geschenk des Kongresses jener Zeit [1988] an die damalige Regierung“. Der Bundesstaat Roraima sei „ein virtueller Bundesstaat, der bloß 10 Prozent seines Gebietes verwalten kann“, verwies Rezek.


 


Der Anwalt der Reisproduzenten, Luiz Valdemar Albrecht, verteidigte die Annullierung des Erlasses und argumentierte mit Fehlern bei der Demarkierung: Für das anthropologische Gutachten gab es keine Erhebungen vor Ort, die Gegner der Demarkierung wurden nie gehört und einer der angegebenen Techniker der Untersuchungen sei ein Chauffeur eines Abgeordneten in Roraima.


 


Indios am Obersten Gericht


Der Generalanwalt des Bundes, José Antônio Dias Toffoli, widerlegte die angeblichen Fehler beim anthropologischen Gutachten. Er wies auch die Kritik an der Existenz von öffentlichem Land im Grenzgebiet und auf dem Gebiet des Bundesstaates mit dem Hinweis zurück, dass in anderen Bundesstaaten viel Land im Privatbesitz sei und diesbezüglich niemand Einspruch erhebe.


 


Nach Toffoli legte der Rechtsanwalt des CIMI, Paulo Machado Guimarães, Vertreter der Gemeinschaft Socó vom Volk Macuxi, die Geschichte des administrativen Verfahrens der Demarkierung dar. Er zeigte auf, dass bei vielen der seit 1977 eingebrachten Einsprüche gleichermaßen argumentiert wird. „Es gibt keinen Mittelweg bei der Achtung der Verfassungsrechte der indigenen Völker“, so Guimarães.


Abschließend ergriff die Anwältin Joênia Carvalho vom Volk Wapichana das Wort. Erstmals hat eine India als Verteidigerin vor dem Obersten Gericht des Landes gesprochen. Nach der Begrüßung der Anwesenden in ihrer Muttersprache klagte sie über die Gewalt gegen die Völker in Raposa Serra do Sol. „Wir hörten von unseren Großeltern, dass sie auf ihrem Rücken die Grenzsteine Brasiliens schleppten und jetzt werden wir als Diebe in unserem eigenen Land bezeichnet. In den letzten Jahren wurden 21 Indios ermordet und niemand wurde dafür bestraft“.


 


Vor der Stimmabgabe des Berichterstatters, beantragte der Generalstaatsanwalt der Republik, Antônio Fernando Souza, dass der Prozess als unzulässig gelten, denn die Verfassung von 1988 garantiere die Vielfalt der Gesellschaft und im Prozess werde eine Angelegenheit verhandelt, die den indigenen Völkern durch die Verfassung zugesichert sei.


 


Britto bekräftigt fortlaufende Demarkierung


Knapp drei Stunden begründete Ayres Britto seine Befürwortung und zeigte die Widersprüche aller Argumente gegen die Demarkierung auf. Bezug nehmend auf die Verfassung und andere Dokumente bestätigte Britto, dass die indigenen Gebiete weder die Souveränität, noch das föderative Prinzip oder die Entwicklung gefährden. Auch das anthropologische Gutachten für Raposa Serra do Sol wurde unter Beachtung aller Gesetze erstellt. Darum entschied er das Verfahren als unzulässig und legte den Abzug der nichtindigenen Besetzer aus dem indigenen Gebiet fest.


 


Hinsichtlich der nationalen Souveränität erinnerte Britto an die Verpflichtung des Staates. Dieser müsse die indigenen Gebiete schützen und in den Bereichen Gesundheit und Bildung Unterstützen leisten. Darauf haben die indigenen Völker ein Recht. „Wenn die öffentliche Hand in den indigenen Gebieten untätig bleibt, ist sie diese Unterlassung dem Staat und nicht den indigenen Völkern Brasiliens schuldig“.


 


Als „falsch“ bezeichnete Britte den Antagonismus zwischen Entwicklung und indigenen Völkern „Für die öffentliche Hand in all ihren föderativen Dimensionen sind die brasilianischen indigenen Völker weder Feinde noch dürfen sie vertrieben werden, denn sie alle ziehen Nutzen durch das vielfältige wirtschaftliche Potential“.


 


Vertreibung und Widerstand


Hinsichtlich der Fehler im anthropologischen Gutachten verwies Britto auf die vorgenommenen Korrekturen, etwa im Fall des Chauffeurs, der fälschlicher Weise unter den Technikern angeführt war. Auf die Kritik der Prozessbetreiber, eine Aldeia sei 181 km von der anderen entfernt bemerkte er, dass es zwischen den beiden angeführten Aldeias mindestens 81 Malocas gebe.


 


Ayres Britto forderte von der Exekutive Verbesserungen bei den Verfahren der Demarkierung von Gebieten. „Es gibt genaue Verfassungsbestimmungen für die Identifikation von zu demarkierenden Gebieten“, so der Minister. Abschließend erinnerte Britto an die ökologischen Schäden durch die Reisproduzenten und die Misshandlung der Indios durch die Invasoren. „Die privaten Reisproduzenten, die seit 1992 die indigenen Gebiete ausbeuten (…), haben kein Recht sich diesen Besitz anzueignen. Der frühere Besitz, den sie angeblich seit ihrer Ankunft nutzen, ist offensichtlich das Ergebnis eines Betrugs. Hinreichend haben die Erhebung und das anthropologische Gutachten bewiesen, dass die Indios von hier verdängt, vertrieben, verjagt wurden (…) nicht ohne Widerstand zu leisten, der bis heute andauert“.


 


Brasília, 28. August 2008


Cimi – Indianermissionsrat

Fonte: Cimi
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