CIMI INFO-BRIEF 655
Von Kraftwerken betroffene Indios: Aus Protest gegen Regierung besetzen Xokleng Kraftwerk in Santa Catarina
Am 28.02.2005 hat das Volk der Xokleng vom Oberen Vale do Itaiaí in Santa Catarina die Kontrolle des Wasserkraftwerks Norte übernommen und droht mit der Zerstörung von Einrichtungen sollten die Regierung des Bundesstaates und die Bundesregierung die in den Jahren 1981, 1982 und 1989 eingegangenen Verträge nicht erfüllen. Die Verträge sicherten der Gemeinschaft eine Entschädigung für die durch das Kraftwerk verursachten Nachteile zu.
Drei Vertreter der Gemeinschaft führten diese Woche in Brasília Verhandlungen mit der FUNAI und mit dem Ministerium für Nationale Integration. Dabei wurde ihnen die Umsetzung der Verträge zugesagt. Erst wenn alle Fragen hinsichtlich der Entschädigung geklärt sind, werden die Indios die Besetzung des Kraftwerkes beenden.
Ein polizeiliches Eingreifen ist möglich. Dennoch wollen die Indios bleiben, bis die Abkommen erfüllt sind. Die Bundesstaatsanwaltschaft ist bemüht, Konflikte zu verhindern.
Am 08.03.2005 wurde auf zwei Techniker und einen Indio, die an einer Brücke an der Grenze zum indigenen Gebiet gearbeitet haben, geschossen. Dahinter vermutet man von Invasoren in das indigene Gebiet angeheuerte Pistoleiros
Norte gehört zu einem Kraftwerkkomplex, der in den 1970er und 1980er Jahren entstand, um das Hochwasser, das regelmäßig über Blumenau hereinbrach, in den Griff zu bekommen. Das Kraftwerk wurde mit Genehmigung der FUNAI innerhalb des indigenen Gebietes, vor allem auf fruchtbarem Ackerland, errichtet.
Durch die Besetzung des Kraftwerkes wollen die Indios entsprechend Druck auf die öffentliche Hand ausüben, damit den vertraglichen Verpflichtungen endlich nachgekommen wird.
Hunger
Die Gemeinschaft der Xokleng hungert. In einer Aussendung beklagen die Indios die mangelhaften Lebensbedingungen, denn wir sind “eingeschränkt durch Kraftwerke, Unternehmen, Siedler und das IBAMA“. Seit den 1930er Jahren beanspruchen Siedler Land der Xokleng, Holzunternehmen beuten ungehemmt Edelhölzer aus und das IBAMA unterhält in dem Gebiet ein Waldreservat.
“Heute zählt dieses Volk 403 Familien mit rund 2.000 Personen. Rund 100 Familien leben von Einkommen als Gesundheitsbetreuer, als Lehrer, als Pensionisten oder Mitarbeiter der FUNAI. Andere Familien haben gelegentlich ein Einkommen. Obwohl unser Volk traditionell reich ist, leben wir jetzt in Armut, weil es keine gerechte Politik gibt, nicht nur für die Xokleng sondern für alle indigenen Völker in Brasilien. Müssen wir unser Land verlassen und in einer der Favelas in den Städten des Landes abwandern? Diese Tatsache zwingt uns, vom Land finanzielle Hilfe zu erbitten bis uns eine gerechte Entschädigung gewährt wird und die Demarkierung unserer Gebiete erfolgt“, heißt es in der Aussendung.
Nationaler Aktionstag gegen Kraftwerke
Diese Woche gab es landesweit Proteste gegen Kraftwerke anlässlich des Internationalen Tags gegen Kraftwerke am 14. März. Die Bewegung der von Kraftwerken Betroffenen (MAB) hat Kraftwerke in Rondônia und Bahia besetzt. In Pará wird trotz der Anwesenheit des Heeres seit 20 Tagen ein Teil vom Wasserkraftwerk Tucuruí besetzt gehalten.
In Campos Novos (SC) wurden fünf Vertreter der Bewegung am 12.03.2005 willkürlich festgenommen. “Bei diesem Fall handelt es sich um eine politische Verhaftung, die von der Richterin in Campos Novos, Adriana Lisboa, ohne ein ordentliches Verfahren angeordnet wurde“, so der Anwalt der MAB, Leandro Scalabrin.
Kampagne für Landreform, um weitere Konflikte zu verhindern
Das Nationale Forum für Agrarreform und Gerechtigkeit auf dem Land, eine Plattform von 45 Organisationen im Einsatz für Land, ist besorgt über die steigende Gewalt gegen Landarbeiter und hat eine nationale und internationale Kampagne eingeleitet, um die Öffentlichkeit auf das Problem aufmerksam zu machen und Druck auszuüben, damit die Bundesregierung und die Justiz tätig werden.
Die Kampagne unter dem Titel “Agrarreform: ökologische Nachhaltigkeit und Menschenrechte“ drängt die Regierung zur Umsetzung der Landreform (Nationaler Plan für die Agrarreform). Dieser Plan umfasst die Förderung von nachhaltigen Entwicklungsprojekten, der ökologischen Landwirtschaft und von Familienbetrieben. Gefordert wird auch der Schutz von Landarbeitern, von bedrohten Personen, die sich für die Verteidigung der Menschenrechte einsetzen sowie die Aufklärung der Bedrohungen und die Bestrafung der Täter.
Für das Forum sind die Konflikte, die 2005 zum Tod von Schwester Dorothy Stang und weiteren sieben Landarbeitern führten, “Teil eines historischen Kampfes im Zusammenhang mit der Agrarreform – vor allem mit Projekten der nachhaltigen Entwicklung (PDS). Es ist die Konfrontation zweier Entwicklungsmodelle in der Region [Bundesstaat Pará]. Für das eine Modell steht der Großgrundbesitz (das Ergebnis von Landspekulation mit öffentlichem Grund, von Umweltzerstörung, von illegaler Holzausbeutung und Sklavenarbeit), der sich hinter dem Begriff der “Modernisierung“ von Landwirtschaft und Viehzucht versteckt. Ihm gegenüber steht ein Projekt, das auf soziale Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit und Achtung der Menschenrechte abzielt.
Die Ausdehnung dieses zerstörerischen und ungerechten Modells behindert eine nationale Politik der Agrarreform (eine tatsächliche Umverteilung von Land, um die derzeitige ungerechte Landkonzentration zu überwinden) und der ökologischen Kontrolle sowie die konsequente Bestrafung der Verantwortlichen und die wirksame Förderung der Menschenrechte (zivile, politische, wirtschaftliche, soziale kulturelle und ökologische Rechte)“, heißt es im Aufruf zur Kampagne.
An der Kampagne beteiligen sich Basisbewegungen, Solidaritätsnetzwerke, NGO, Kirchen, Gewerkschaften. Über Campesina International engagieren sich national und international Persönlichkeiten und Organisationen, die für Menschenrechte eintreten. Eine der ersten Aktionen sind Briefe an den Präsidenten der Republik, Luiz Inácio Lula da Silva und den Bericht erstattenden Minister des Obersten Bundesgerichts, Arnaldo Esteves.
Informationen, Briefvorschläge und Adressen unter “Campanhas“.
Brasília, 17. März 2005.
Cimi – Indianermissionsrat