Info 800: Indigene Völker wollen pluriethnische Staaten in Lateinamerika
Vertreter von indigenen Völkern aus zehn Ländern Amerikas versammelten sich vom 15.-17.1.2008 in La Paz (Bolivien) zum Seminar „Indigene Völker, Verfassungen und plurinationale Staaten. Ihr Ziel sind pluriethnische Staaten in Lateinamerika. Vom 18.-19. 1.2008 Diskutierten sie die Auswirkungen des Vorschlags der infrastrukturellen Integration der Region Südamerika (IIRSA).
In Lateinamerika werden die Staaten monolithisch, mit einem Volk betrachtet. Für die indigenen Völker müssten sie interkulturell und plurinational sein. Ausgehend von den Erfahrungen der bolivianischen Verfassung und infolge ihres Einsatzes sind die indigenen Vertreter überzeugt, dass pluriethnische Staaten im Aufbau sind und sich bereits am Horizont abzeichnen.
Im Schlussdokument bekundeten die Teilnehmer ihre Unterstützung beim Verfassungsprozess in Ekuador, dass auch hier der Staat bald plurinational wird.
Eine gemeinsame Wirtschaft, Anerkennung des traditionellen Gesundheitswesens und der Justiz, zweisprachiges Schulsystem, eigene politische Organisationen sowie territoriale Umgestaltung kennzeichnen unter anderem einen plurinationalen Staat.
Die Indios „wollen politische und soziale Akteure sein und nicht nur schmückendes Beiwerk oder Folklore in Demokratien“, betonte Miguel Palacin, ein indigener Vertreter aus Peru. Er ist Mitglied der Andinen Koordination Indigener Organisationen (COIA), ein Mitveranstalter des Seminars.
Südamerikanische Integration
Von 18.-19.1.2008 organisierte die COIA mit dem Zentrum für Angewandte Studien für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CEADESC) das Seminar „IIRSA und Indigene Völker“.
Die Teilnehmer befassten sich mit der Art der Entwicklung von Südamerika. Die Gemeinschaften wollen kein zerstörendes Modell, durch das die natürlichen Ressourcen in ihren Gebieten geplündert werden sondern eine Integration, die von den Völkern ausgeht. Das erfordere aber, dass die Gemeinschaften umfassend über geplante Großprojekte informiert werden, damit sie darüber beraten und entscheiden können.
Der IIRSA ist ein Projekt von zwölf Staaten, der 507 infrastrukturelle Vorhaben in den Bereichen Transport, Energie und Telekommunikation umfasst, um den Austausch von Produkten auf dem Kontinent und darüber hinaus zu steigern. Zahlreiche indigene Völker werden von diesem Projekt betroffen sein.
Brasilien hat das größte Interesse und die meisten Vorteile aus dem IIRSA. Die Vorgangsweise des Landes und verschiedener brasilianischer Unternehmen werden im Schlussdokument mit großer Sorge kommentiert.
Unter den Seminarteilnehmern waren Vertreter der Völker Aymara, Quéchua, Poqra, Mapuche, Kichwa, Pemón, Miskitu, Guarani, Ayoreo und Chiquitano. Aus Brasilien kam ein Vertreter des Indianermissionsrates – CIMI.
Lebensgefahr für junge Mapuche in Chile nach dreimonatigem Hungerstreik
In der Vorwoche stieg die internationale Hilfe für die junge Mapuche Patrícia Troncoso, die seit drei Monaten im Hungerstreik ist, aus Protest gegen ihre politische Verfolgung und die anderer verhafteter Mapuche in Chile.
Am 15.1.2008 wurde sie ins Krankenhaus eingeliefert, ohne ihre Familie darüber zu informieren. Die Jugendliche schwebt in Lebensgefahr. Am 21.01. übermittelten Amnesty International und der Verband der Mütter von der Plaza de Mayo (Argentinien) ein Schreiben an den chilenischen Präsidenten Michelle Bachelet und forderten ihn zum Eingreifen auf. Patrícia hat seit 10.10.2007 keine Nahrung zu sich genommen. Ihre Familie wollte ihre Einweisung in einem Krankenhaus in Santiago, damit sie besser behandelt werden könnte, aber die Polizei brachte sie in ein Spital in Chillán.
Patrícia wurde zu zehn Jahren Haft nach dem Antiterrorgesetz verurteilt, das auf den Diktator Augusto Pinochet (1973-1990) zurückgeht. Sie wurde angeklagt, im Dezember 2001 den Besitz des Unternehmens Minenco in der Gemeinde Ercilla in Brand gesetzt zu haben. Die indigene Vertreterin hat fünf Jahre Strafe abgesessen und beantragte das Recht auf bedingte Freilassung und Familienbesuch an Sonntagen. Sie fordert die Freilassung aller politischen Gefangenen Mapuche, die nach dem Antiterrorgesetz verurteilt wurden. Auch will sie die Desmilitarisierung der Zone „La Araucária”.
Im Jahr 2006 waren Patrícia und drei weitere Gefangene Mapuche 63 Tage im Hungerstreik gegen das Antiterrorgesetz, das noch immer in Kraft ist.
(Informationen von internationalen Agenturen)
Brasília, 24. Januar 2008
Cimi – Indianermissionsrat