CIMI INFO-BRIEF 696
Negative Rekordbilanz bei indigenen Mordopfern im Jahr 2005
Am 24.12.2005 ermordete das Wachpersonal der Fazenda Fronteira in der Gemeinde Antonio João (MS) den Guarani-Kaiowá Vertreters Dorvalino Rocha aus dem Gebiet Nhande Ru Marangatu. Im Jahr 2005 wurde somit das Leben von 38 Indios gewaltsam beendet – die höchste Todesbilanz innerhalb der letzten elf Jahre laut Erhebungen des CIMI, die sich auf Quellen der CIMI-Mitarbeiter und der Medien stützen. Im Bundesstaat Mato Grosso do Sul waren im Vorjahr die meisten Opfer, 28, zu beklagen.
In den letzten elf Jahren wurden 240 Indios getötet. Das sind im Durchschnitt 21 Morde jährlich.
Die Säumigkeit des Staates bei den Verfahren der Anerkennung und des Schutzes von indigenen Gebieten sieht der CIMI als die Hauptursache der Verbrechen.
Die Zahl der vom Justizministerium im Amtsblatt des Bundes veröffentlichten deklaratorischen Erlässe im dritten Jahr der Regierung Luiz Inácio Lula da Silva ist besonders kritikwürdig. Nur fünf Gebiete wurden deklariert. Das bedeutet durchschnittlich sechs Gebiete pro Regierungsjahr. Unter Fernando Collor und Itamar Franco lag der Durchschnitt bei 16, unter Fernando Henrique Cardoso bei 11 und unter João Baptista Figueiredo bei 8 Territorien.
Wenn weitere Demarkierungen in diesem Tempo erfolgen, wird die Anerkennung aller indigenen Gebiete erst in 45 Jahren abgeschlossen sein.
Geständiger Mörder des Vertreters Guarani-Kaiowá wieder frei
Nachdem João Carlos Gimenes, Mitarbeiter der Wachfirma Gaspem, die für Kontrollen auf der Fazenda Fronteira zuständig ist, ein Geständnis abgelegt hat und festgenommen wurde, hat ihn die Kommissarin der Bundespolizei, Penélope Automar wieder auf freien Fuß gesetzt. Gimenes sei Ersttäter, habe eine unbescholtene Vergangenheit, einen festen Wohnsitz und es bestehe keine Gefährdung der weiteren Untersuchungen rechtfertigte die Kommissarin diesen Schritt.
Laut Zeugen des Verbrechens stiegen vier Wächter aus einem Auto, geparkt am Rand der MS 384, und gingen in Richtung des Lagers der Guarani-Kaiowá. Der Täter schoss zweimal auf das Opfer.
Sieben Indios in Santa Catarina weiter inhaftiert
Auf Anordnung der Bundesjustiz wurden am 27.12.2005 acht Indios in Chapecó (Santa Catarina) als Folge einer Manifestation verhaftet, bei der die Gemeinschaft den Abzug von Nichtindios aus ihren Gebieten Toldo Chimbangue und Toldo Pinhal forderte.
Am 31.12.2005 verfügte die Bundesjustiz die Freilassung des Kaziken Lauri Alves, nachdem bewiesen war, dass er an der Manifestation nicht teilgenommen hatte. Die noch Inhaftierten warten auf die gerichtliche Entscheidung des von der FUNAI eingebrachten Antrags auf Freilassung. Das Regionale Bundesgericht der 4. Region hat eine Berufung auf Habeas Corpus abgelehnt. Die FUNAI legte Einspruch beim Obersten Gericht ein, aber Ministerin Ellen Gracie lehnte am 03.01.2006 die weitere Bearbeitung des Antrags ab, da der Fall ihrer Auffassung nach in die Kompetenz des Obersten Gerichts falle.
Die Willkür der Verhaftungen ist offenkundig. Unter den Festgenommenen sind zwei Personen in den Prozessakten nicht angeführt.
Alceu de Oliveira wurde verhaftet, weil er als Quixé bekannt ist. In den Dokumenten steht der Name João Gonçalves, der auch Quixé genannt wird. Statt Wilson Antunes sitzt Adilson Ferreira im Gefängnis. Laut FUNAI in Chapecó ist es zweifelhaft, ob es überhaupt eine Person namens Wilson Antunes gebe.
Der Kazike Idalino Fernandes wird beschuldigt, während der Manifestation am 19.12.2005 die Gemeinschaft bei der Blockade des Zugangs zu einer Fazenda angeführt zu haben. Das entspricht nicht den Tatsachen. Der Kazike war im Regionalbüro der FUNAI in Chapecó und kam sehr spät zur Manifestation.
Die Indios werden bezichtigt, zwei Waffen von Bauern gestohlen zu haben. Diese Anschuldigung ist wiederum unwahr. Die Indios wurden von den Bauern bedroht, haben ihnen die Waffen abgenommen und diese anschließend an die Polizei übergeben. Im Protokoll ist die Beschlagnahmung der Waffen verzeichnet. Den indigenen Vertretern wurde im Verlauf der polizeilichen Untersuchung Eindringen in fremden Besitz und Aggression angelastet.
Wieder ein Fall der Kriminalisierung jener, die sich für die Durchsetzung und Garantie ihres Rechts auf Würde, auf Gerechtigkeit und Leben stark machen.
Brasília, 5. Jänner 2006.
Cimi – Indianermissionsrat