31/01/2005

Klageschrift der Indigenen Völker Brasiliens vom Weltsozialforum 2005

Lula, die Unterlassung siegt über die Hoffnung!


 


Wir, die indigenen Völker von Brasilien, Teilnehmer an der Aktionsplattform “Puxirum der indigenen Kunst und Wissenschaft“ beim V. Weltsozialforum, erheben unsere Stimme und klagen über die bis in die Gegenwart andauernde Kolonisierung in unserem Land.


 


Unermüdlich schreiben wir Briefe und klopfen an die Türen der Regierungsorgane, ohne eine Antwort auf unsere schlimmen Probleme zu bekommen.


 


Trotz aller Anstrengungen unserer Gemeinschaften, Völkern und Organisationen, begegnet uns die Regierung mit Unterlassung, Nachlässigkeit und Untätigkeit bei der Garantie der Demarkierung unserer Gebiete.


 


Die Gewinnsucht und die kapitalistische Ausbeutung haben mehr Bedeutung für die Regierung Lula als das physische und kulturelle Überleben unserer Völker. Das erklärt die Grenzfestlegung bei nur elf Gebieten in den letzten zwei Jahren, die Verkleinerung des Gebietes Baú der Kayapó, die nicht erfolgte Homologation von Raposa/Serra do Sol in Roraima und politische Verhandlungen über die Verkleinerung unserer Gebiete im ganzen Land, geführt von Kommissionen mit lokalen und regionalen antiindigenen Vertretern. Die Verzögerung der demarkatorischen Verfahren fördert Konflikte, etwa im Gebiet Monte Pascoal der Pataxó (BA), ein Symbol für den indigenen Einsatz in Land. Beklagenswert sind die Verhandlungen über das Recht auf Gesundheit und Bildung der Völker, die abhängig gemacht werden von der Einleitung der Demarkierung ihrer Gebiete, wie sich am Beispiel der Völker im Nordosten zeigt.


 


Entsprechend den Interessen der Bergwerksgesellschaften, bemüht man sich um Regelung für den Bergbau in indigenen Gebieten, ohne sich zuvor um die Verabschiedung des neuen Statuts der Indigenen Völker zu kümmern. Als Fall sei hier das Gebiet Cinta Larga in Rondônia angeführt.


 


Immer häufiger werden bei gerichtlichen Entscheidungen auf allen Ebenen die indigenen Rechte beschnitten, wenn es um Invasoren geht, die wirtschaftlich und politisch an den Ressourcen in indigenen Gebieten interessiert sind. Zahlreiche Gutachten dienten dem Vorteil der Invasoren und ordneten die Vertreibung von Indios aus ihren Gebieten an und gefährdeten das Überleben der Völker, wie etwa im Fall der Guarani Kaiowá (MS) oder der Bau von Kraftwerken im indigenen Gebiet Rio Branco in Rondônia.


 


Im Nationalkongress beobachten wir eine starke politische Artikulation, angeführt von Kräften des Agrogeschäftes und von wichtigen Sektoren der Regierung unterstützt, um unsere Rechte einzuschränken. Zahlreiche Vorschläge zur Verfassungsänderung und für Gesetzesprojekte wurden eingebracht, um die indigenen Rechte zu unterdrücken, vor allem hinsichtlich indigener Gebiete und der darin vorkommenden natürlichen Ressourcen.


 


Der jüngste Vorschlag ist völlig verfassungswidrig. Der vom Berichterstatter Delcídio Amaral (PT/MS) eingebrachte PLS 188 wird von der Regierung Aldo Rebelo (PC do B) unterstützt. Unter anderem will dieses Projekt laufende Verfahren der Demarkierung einstellen, damit über Gebietsgrenzen verhandelt werden kann, die den wirtschaftlichen und politischen Interessen der im Bundessenat vertretenen Politiker entsprechen.


 


Die unweigerliche Folge dieser Politik, die auf eine ausbeutende und verschwenderische Entwicklung abzielt, dient nur dem haltlosen Konsum der Eliten und ist ein Gewaltakt gegen unsere Völker. In den Jahren 2003 und 2004 wurden an die 50 Indios ermordet, Reisproduzenten legten in den Aldeias Feuer, Frauen und Kinder wurden mit dem Tod bedroht und Verbündete in Roraima entführt. Kinder der Xavante starben im Lager am Strassenrand, weil der Gemeinschaft das bereits demarkierte Land verweigert wurde. Jetzt, anfangs 2005, erhielten wir die Besorgnis erregende Information, dass fünf Indios Djohum Djapá am oberen Jutaí in der Region Vale do Javari (AM) von Holzunternehmern getötet wurden. Im Norden und Süden des Landes sind zahlreiche indigene Gebiete invadiert. Die Diskriminierung wird offensichtlich bei politischen Diskussionen und Aktionen der Regierungsorgane, wenn man unser Recht auf Vielfalt missachtet. Das lässt sich auch feststellen, wenn das territoriale indigene Recht im Grenzgebiet missachtet wird und die Gründung von nichtindigenen Siedlungen zur Garantie der “nationalen Souveränität“ angeordnet wird, wenn man die indigene Identität von erstarkten Völkern in Abrede stellt, wenn über die spezifische indigene Gesundheit und Bildung lediglich diskutiert wird.


 


Darum hat die indigene Politik in den letzten zwei Jahren keine substantielle Änderung erfahren. Sie zielt auf Integration ab und ist zentralistisch, unterdrückend und bevormundend. Die Regierung bemüht sich keineswegs um eine neue indigene Politik, trotz der von Lula eingegangenen “Verpflichtung für die indigenen Völker“. Versprochen wurde eine neue Politik, die eine volle Beteiligung der indigenen Völker und der Zivilgesellschaft ermöglicht. Bei einer indigenen Konferenz noch im ersten Jahr der Regierung sollte dieser partizipative Prozess mit den Indios eingeleitet werden.


 


Porto Alegre RS, 28. Januar 2005.


 

Fonte: Cimi - Assessoria de Imprensa
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