CIMI INFO-BRIEF 643
GESETZESPROJEKT ZUR ÄNDERUNG DER DEMARKIERUNG IM SENAT
Ein Gesetzesprojekt (PLS 188/2004), das auf die völlige Änderung des Demarkierungsverfahrens von indigenen Gebieten abzielt, steht am 09.12.2004 auf der Tagesordnung des Senats. Der von einer Kommission ausgearbeitet Vorschlag berücksichtigt die von antiindigenen Sektoren seit langem angestrebte Anpassungen. So soll die Demarkierung künftig vom Senat genehmigt werden. Liegt das indigene Gebiet in der Grenzregion, ist der Rat für die Nationale Verteidigung einzubeziehen.
Das Projekt steht im Widerspruch zum Konzept eines pluriethnischen Staates, zur Konvention 169 der ILO und zur Bundesverfassung, wie Drª Deborah Duprat, stellvertretende Generalanwältin des Bundes betont: „Alle Verfügungen dieses Projekts sind gegen die Verfassung, denn sie beabsichtigen, bei der Identifikation von indigenen Gebieten nach externen Kriterien vorzugehen. Für Entscheidungen über indigene Gebiete sehen sie eine politische Instanz, den Senat, vor“.
Ist die Demarkierung von der Genehmigung des Senats abhängig, so sollen laut PLS die administrativen Akte der Exekutive von einer anderen Gewalt der Republik, der Legislative, abhängig sein. Die Gewaltenteilung ist allerdings ein Prinzip der Verfassung.
Hinsichtlich der indigenen Gebiete in Grenzregionen ist vorgesehen, dass der Präsident der Republik den Rat für Nationale Verteidigung (CDN) vor der Entscheidung über die Homologation einberuft. Der CDN ist ein beratendes Organ des Präsidenten. „Der Nationalkongress kann den Präsidenten nicht verpflichten, dieses Organ zur Beratung einzuberufen“, so Paulo Machado, juristischer Referent des CIMI.
Laut Projekt sind alle zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Gesetzestextes „laufenden Verfahren der Demarkierung zu annullieren“. Auch soll verhindert werden, dass bei zurück gewonnenen Gebieten innerhalb von zwei Jahren ein Verfahren der Demarkierung eröffnet wird. Im Falle einer Wiederholung verdoppelt sich die Frist. Dieser Artikel hat die gleiche Auswirkung wie die provisorische Massnahme 2.183/01, herausgegeben von Fernando Henrique Cardoso. Diese sieht vor, dass jenes Land, das von Bewegungen für Landreform besetze Gebiete nicht zum Zweck der Agrarreform enteignet werden.
„Dieses Projekt will den Einsatz der indigenen Völker unterbinden, wenn sie friedlich ihre traditionellen Territorien besetzen. Aus historischer Sicht ist gegenteiliges der Fall. Bei vielen indigenen Gebieten erfolgte die Demarkierung erst nach dem Einsatz der indigenen Bewegungen“, sagt Saulo Feitosa, Vize-Präsident des CIMI. Der CIMI sieht das Gesetzesprojekt als Umkehr der Bestimmungen der Bundesverfassung 1988.
Das PLS wurde im Juni 2004 im Senat vorgestellt und direkt dem Plenum zugewiesen, ohne Evaluierung durch die Ständigen Technischen Kommissionen des Hauses, wie die Kommission für Verfassung, Bürger und Justiz, die vor allem prüft, ob Gesetzesprojekte verfassungskonform sind.
Das PLS 188 wurde von der befristeten Externen Sonderkommission des Senates erarbeitet. Diese 2004 gegründete Kommission hatte zum Ziel, „nach Roraima, Santa Catarina, Mato Grosso do Sul, Mato Grosso, Rondônia, Rio Grande do Sul und Pará zu gehen, sich über Grundstücksfragen in diesen Bundesstaaten ein Bild zu machen und dem Senat einen minutiösen Bericht von ihrer Mission vorzulegen“. Das Gesetzesprojekt war die Schlussfolgerung eines Teilberichtes, der sich auf den Bundesstaat Mato Grosso do Sul bezog und im Juni im Plenum zur Lesung vorlag.
Der Kommission gehörten die Senatoren Mozarildo Cavalcanti (PPS–RR), Jefferson Peres (PDT-AM), João Ribeiro (PFL-TO), Romero Jucá (PMDB-RR) sowie Delcídio Amaral (PT-MS), als Berichterstatter, an.
Dieses Projekt hat die klare Absicht, die Verfahren der Demarkierung von indigenen Gebieten zu erschweren und zu verzögern, für deren Durchführung und beschleunigte Erledigung die indigene Bewegung und ihre Verbündeten seit Jahren arbeiten. Es schafft neue Entscheidungsinstanzen und sucht Ausreden, die nur den Interessen der Invasoren in indigenen Gebieten entsprechen“, so Feitosa abschliessend.
PREIS FÜR DIE SOZIALE UND POLITISCHE ORGANISATION DER XUKURU
Das Volk der Xukuru in Pernambuco wurde am 08.12.2004 in Rio de Janeiro für seine soziale Organisation und Formen der Leitung von der Stiftung Getúlio Vargas – Programm für Leitung und Bürgerrechte ausgezeichnet. Für den Preis haben sich landesweit 1.191 Projekte beworben.
Zuerst haben die Xukuru ihr Land zurück gewonnen. Danach folgte die Reorganisation, die Stärkung der indigenen Identität, die historische Reflexion mit Unterstützung der Ältesten und die Pflege der Natur als Grundlage für die kulturelle, soziale, wirtschaftliche, ökologische und politische Entwicklung der Gemeinschaft.
„Unsere soziale Organisation stärkt unsere ethnische Identität. Anfangs haben sich nur wenige als Xukuru bekannt. Dieses Modell der Organisation war wichtig für uns, wir sind als Indios gewachsen und haben unsere Halsketten und Armbänder angelegt“, so Kazike Marcos Xukuru bei der Preisverleihung an sein Volk und weitere vier Projekte.
Die sozio-politische Organisation der Xukuru hat folgende Instanzen:
Der Kazike, er ist Leiter und politischer Sprecher, gewählt von der Gruppe unter Berücksichtigung der Zeichen der Schöpfung.
Der Pajé leitet die religiösen Rituale.
Der Vize-Kazike vertritt den Kaziken im Fall der Verhinderung.
Die interne Versammlung Xukuru ist die Plattform für die politische Beteiligung und für das Projekt „Zukunft des Volkes“.
Der Indigene Verband Xukuru kümmert sich um die rechtlichen Aspekte der Entwicklungsprojekte der Gemeinschaft.
Dem Rat der Leiter gehören die Vertreter der 24 Aldeias an. Sie sind verantwortlich für die Lösung von Problemen und vertreten ihre Aldeias bei Versammlungen innerhalb und ausserhalb des Gebietes Xukuru.
Der Indigene Rat für Gesundheit Xukuru do Ororubá ist zuständig für die Gesundheitspolitik des Volkes. Der Rat der LehrerInnen Xukuru kümmert sich um die spezifische Bildung in den Aldeias.
Das Volk Xukuru lebt auf den Hügeln von Ororubá, in der Gemeinde Pesqueira, 215 km von Recife entfernt. Die rund 9.000 Indios leben in 24 Aldeias. Die Organisation der Xukuru ist seit 1986, mit der Rückgewinnung ihrer Gebiete und der Rückbesinnung auf ihre indigene Identität immer stärker geworden, trotz aller Vorurteile und Gewalt seitens der an ihrem Land Interessierten.
Das Programm für Leitung und Bürgerrechte gibt es seit 1996, um innovative Erfahrungen auf lokaler und regionaler Ebene zu fördern, Bürgerrechte zu stärken und die Lebensqualität zu verbessern. Jährlich werden 20 Projekte in den Vordergrund gestellt und fünf davon ausgezeichnet. Bundesstaaten, Gemeinden, Legislative, Judikative, Organisationen und Vereine reichen ihre Projekte beim Programm der Stiftung Getúlio Vargas ein.
Brasília, 09. Dezember 2004