20/07/2024

2023 hielt die Gewalt gegen Indigene an; das Jahr war geprägt von Angriffen auf Rechte und wenige Fortschritte bei der Demarkierung von Landgebieten

Der Jahresbericht des Cimi zur Gewalt gegen indigene Völker präsentiert die Daten des ersten Jahres der dritten Regierung Lula, geprägt von festgefahrenen Situationen und Widersprüchlichkeiten in der Indigenenpolitik

Relatório Violência contra os Povos Indígenas no Brasil - dados de 2023

Die Streitigkeiten über die Indigenenrechte innerhalb der drei Staatsgewalten Brasiliens spiegelten sich in einem Szenario von anhaltender Gewalt und Angriffen gegen die indigenen Völker und Territorien im Jahr 2023 wider. Das erste Jahr der neuen Bundesregierung war geprägt von der Wiederaufnahme von Kontroll- und Repressionsmaßnahmen bezüglich der Invasionen in einigen indigenen Territorien, aber die Demarkierung von Landgebieten sowie die Schutz- und Hilfsmaßnahmen für die Gemeinschaften blieben unzureichend. In den verschiedenen Regionen des Landes zeigte sich das institutionelle Umfeld von Angriffen auf die Rechte indigener Völker im Weitergehen von Invasionen, Konflikten und gewalttätigen Aktionen gegen Gemeinschaften und im Fortbestand hoher Raten von Mord, Selbstmord und Kindersterblichkeit unter diesen Völkern. Dies sind die Ergebnisse des Berichts Gewalt gegen die Indigenen Völker Brasiliens – Daten aus dem Jahr 2023, einer jährlichen Veröffentlichung des Indigenisten-Missionsrates (Cimi).

Das Jahr 2023 begann mit großen Erwartungen hinsichtlich der Indigenenpolitik der dritten Amtszeit von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva. Nicht nur, weil die neue Regierung auf eine offen indigenenfeindlichen Regierung folgte, sondern auch, weil das Thema seit dem Wahlkampf in den Reden und Ankündigungen des neuen Präsidenten eine zentrale Rolle gespielt hatte.

Dieser Kontext spiegelte sich auch wider in den wenigen Fortschritten bei der Demarkierung indigener Territorien und im Weitergehen der Fälle von Invasion, Beschädigungen indigenen Eigentums und Konflikten um Territorialrechte

Dieser Umschwung symbolisierte sich in der Anwesenheit des Kaziken Raoni, einem Kayapó-Anführer von historischer Bedeutung, bei der Amtseinführung des neugewählten Präsidenten. Die Schaffung eines noch nie dagewesenen Ministeriums der Indigenen Völker (Ministério dos Povos Indígenas, MPI) und die Ernennung indigener Führungspersönlichkeiten zur Leitung des neuen Ministeriums, der Funai – umbenannt in Nationale Stiftung der Indigenen Völker (Fundação Nacional dos Povos Indígenas) – und des Sekretariats für Indigene Gesundheit (Secretaria de Saúde Indígena, Sesai) vervollständigten die Atmosphäre erneuerter Hoffnungen.

Sofort zu Beginn des Jahres sorgte die seit langem immer wieder berichtete Lage des Yanomami-Volkes für enormes Aufsehen. Lange Jahre der Vernachlässigung und gezielten Untätigkeit früherer Regierungen gegenüber der illegalen Präsenz von Erzschürfern in diesem Indigenen Territorium (IT – Terra Indígena) hatten zu einer extremen Vulnerabilität dieses Volk geführt. Die Ausrufung eines Nationalen Gesundheitsnotstands und der Beginn einer großen Operation zur „Desinvasion“ in diesem Territorium deuteten auf einen wirksamen Wandel in Bezug auf die Indigenenpolitik hin.

Jedoch drängte sich sofort die politische Realität auf. Der Nationalkongress ergriff Maßnahmen, die das MPI aushöhlten und die Rechte der Indigenen angriffen, insbesondere durch die Verabschiedung des Gesetzentwurfs (Projeto de Lei, PL) 490/2007, der Ende des Jahres zum Gesetz 14.701/2023 wurde. Die Legislative handelte in klarem Gegensatz zum Obersten Bundesgerichtshof (Supremo Tribunal Federal, STF), der nach jahrelanger Bearbeitung das Urteil in diesem Fall von allgemeiner Tragweite, in dem es um die Demarkierung indigener Territorien ging, mit einer für die indigenen Völker günstigen Urteil abschloss.

Der Oberste Gerichtshof erkannte die indigenen Territorialrechte als „in Stein gemeißelte Klauseln“ der Bundesverfassung an – das bedeutet, sie können nicht geändert oder eingeschränkt werden – und erklärte die These des Stichtags für verfassungswidrig. Mit dieser These, die indigene Völker seit Jahren bedroht hatte, sollte festgeschrieben werden, dass nur Territorien demarkiert werden könnten, die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verfassung, dem 5. Oktober 1988, im Besitz indigener Völker befanden oder nachweislich umstritten waren.

Trotz des Urteils hat der Nationalkongress den Stichtag als Kriterium für die Demarkierung indigener Territorien in Gesetz 14.701 aufgenommen, zusätzlich zu einer Reihe gesetzlicher Bestimmungen, die in der Praxis darauf abzielen, neue Demarkierungen undurchführbar zu machen und bereits demarkierte Gebiete für die ausbeuterische wirtschaftliche Erschließung zu öffnen. Lulas teilweises Veto wurde vom Kongress mit zahlreichen Stimmen aus Parteien mit Regierungsposten aufgehoben, und das Gesetz trat Ende des Jahres in Kraft.

Dieser Kontext spiegelte sich auch wider in den wenigen Fortschritten bei der Demarkierung indigener Territorien und im Weitergehen der Fälle von Invasion, Beschädigungen indigenen Eigentums und Konflikten um Territorialrechte.

Es wurden einige Aktionen zur „Desinvasion“ durchgeführt, jedoch keine mit der anfänglichen Stärke der Yanomami Task Force, die ebenfalls in Untätigkeit mündete, ohne dass die Schürfstätten vollständig abgebaut wurden. Im Jahr 2023 wurden in mindestens 202 Indigenen Territorien in 22 Bundesstaaten Brasiliens 276 Fälle von Besitzinvasionen, illegaler Ausbeutung von Naturressourcen und verschiedenen Sachschäden registriert.

Im ersten Jahr der neuen Regierung wurden acht Indigene Territorien abschließend genehmigt. Diese Zahl liegt unter den Erwartungen, auch wenn sie höher ist als die der letzten Jahre. Die mageren Fortschritte bei der Demarkierung spiegelten sich in einer Verschärfung von Konflikten wider, wobei es in mehreren Fällen zu Einschüchterungen, Drohungen und gewalttätigen Angriffen gegen Indigene kam, insbesondere in Bundesstaaten wie Bahia, Mato Grosso do Sul und Paraná.

Die Bereitschaft der Bundesregierung, Öl an der Amazonasmündung zu fördern, die haushaltspolitische Priorisierung der Agrarindustrie und die Unterstützung großer Infrastruktur- und Bergbauprojekte im Konflikt mit indigenen Völkern, z. B. die Eisenbahnlinie Ferrogrão, sowie die Attacken ausländischer Unternehmen auf das Territorium des Volkes der Mura in Bundesstaat Amazonas gehörten zu diesem Szenario.

Die Langsamkeit und das Fehlen klarer Signale der Bundesregierung beim Schutz der indigenen Territorien hatten direkten Einfluss auf die hohe Zahl registrierter Konflikte, von denen viele Einschüchterungen, Drohungen und gewalttätige Angriffe gegen indigene Gemeinschaften beinhalteten

Barraco ao sol em retomada Guarani Kaiowá no Tekoha Laranjeira Nhanderu, Rio Brilhante (MS). Março de 2023. Foto: Renaud Philippe/projeto Retomada da Terra

Baracke im Sonnenlicht in dem von Guarani-Kaiowá Zurückgewonnenen Territorium in Tekoha Laranjeira Nhanderu, Rio Brilhante (Mato Grosso do Sul). März 2023. Foto: Renaud Philippe/Retomada da Terra

Gewalt gegen Eigentum

Das erste Kapitel des Berichts stellt die „Gewalt gegen Eigentum“ indigener Völker dar, insgesamt 1.276 Fälle. Die Einträge sind in drei Kategorien unterteilt: Unterlassung und Langsamkeit bei der Landregulierung, wobei 850 Fälle registriert wurden; Konflikte im Zusammenhang mit Territorialrechten, mit 150 ​​Einträgen; und Besitzübergriffe, illegale Ausbeutung natürlicher Ressourcen und verschiedene Sachbeschädigungen, mit 276 Fällen.

Die Kategorien Territorialkonflikte und Invasionen in indigene Territorien blieben auf einem hohen Niveau, obwohl sie im Vergleich zu den Vorjahren einen leichten Rückgang verzeichneten. Während die Daten einerseits die Wiederaufnahme von Operationen von Umweltkontrollen widerspiegeln, weisen andererseits die meisten Berichte auf die Kontinuität der Aktionen der Invasoren, den Strukturzerfall der für diese Aufgaben zuständigen Stellen und das Fehlen einer dauerhaften Schutzpolitik für die indigenen Territorien.

Zu den wichtigsten Arten von Beschädigung indigenen Eigentums zählen wie in den Vorjahren Fälle von Abholzung, Abbau natürlichen Ressourcen wie Holz, illegale Jagd und Fischerei, Bergbau und Besitzinvasionen im Zusammenhang mit Landraub und mit privater Aneignung in indigenen Territorien.

In einer kleinen Gruppe von Territorien wurden Operationen zur Ausweisung von Invasoren priorisiert, insbesondere in den sieben TIs, die abgedeckt waren von den STF-Entscheidungen im Rahmen der ADPF 709 (Arguição por Descomprimento de Preceito Fundamental, Argumentation zugunsten der Nichterfüllung einer Fundamentalbestimmung – legale Aussetzung der Gültigkeit von grundlegenden Rechtsnormen). Aber auch in diesen Fällen zeigen die Daten und Berichte, dass die Maßnahmen nicht die vollständige Entfernung der Invasoren garantieren konnten, und in der überwiegenden Mehrheit der indigenen Territorien gab es nur sporadische Kontrollen.

Die aktualisierte Cimi-Datenbank zeigt, dass bei der Mehrheit (62%) der insgesamt 1.381 in Brasilien bestehenden indigenen Territorien und Territorialforderungen noch Verwaltungsmaßnahmen zu deren Regularisierung anhängig sind. Derzeit gibt es 850 offiziele Indigene Territorien mit fehlenden Regulierungen, von denen bei 563 noch keinerlei staatliche Maßnahmen zur Demarkierung durchgeführt wurden.

Im Jahr 2023 gab es die größten Fortschritte bei der Bildung oder Umstrukturierung von Technischen Gruppen (TGs) zur Identifizierung und Demarkierung indigener Territorien unter der Zuständigkeit der FUNAI. Das zeigt die Bereitschaft der Behörde, die erste Etappe der Regularisierung von jahrelang blockierten Territorialforderungen einzuleiten. Allerdings gehen die Arbeiten nur langsam voran: Im Jahr 2023 wurden von der FUNAI lediglich drei Identifizierungs- und Demarkierungsberichte fertiggestellt und veröffentlicht.

Aufgrund der Unsicherheit bezüglich der Stichtagsregelung lässt sich nicht vorhersagen, ob die in den Verordnungen festgelegten Fristen eingehalten werden, da die Regierung zögert und das Gesetz 14.701/2023 als Rechtfertigung benutzt, die Demarkierungsverfahren nicht voranzutreiben. Diese Haltung kommt auch darin zum Ausdruck, dass das Justizministerium noch keine Feststellungsverordnung erlassen hat.

Die Langsamkeit und das Fehlen klarer Signale der Bundesregierung beim Schutz der indigenen Territorien hatten direkten Einfluss auf die hohe Zahl registrierter Konflikte, von denen viele Einschüchterungen, Drohungen und gewalttätige Angriffe gegen indigene Gemeinschaften beinhalteten, wie beispielsweise in Bahia, Mato Grosso do Sul, Paraná und verschiedenen anderen Bundesstaaten.

Wie in den Vorjahren verzeichneten weiterhin die Bundesstaaten Roraima (47), Mato Grosso do Sul (43) und Amazonas (36) die höchste Zahl von Morden an Indigenen

Cápsulas coletadas por indígenas após ataque contra retomada Pataxó na TI Barra Velha, em janeiro de 2023. Foto: Tiago Miotto/Cimi

Vom Pataxó-Volk aufgesammelte Patronenhülsen im Zurückgewonnenen Territorium des IT Barra Velha do Monte Pascoal, im Bundesstaat Bahia, wo junge Männer ermordet wurden. Januar 2023. Foto: Tiago Miotto/Cimi

Gewalt gegen Personen

Die im zweiten Kapitel des Berichts erfassten Fälle von „Gewalt gegen Personen“ beliefen sich im Jahr 2023 auf insgesamt 411 Einträge. Dieser Abschnitt ist in neun Kategorien unterteilt, in denen folgende Daten erfasst wurden: Machtmissbrauch (15 Fälle), Morddrohung (17), verschiedene Bedrohungen (40), Mord (208), Totschlag (17), Körperverletzung (18), Rassismus und ethnisch-kulturelle Diskriminierung (38), versuchter Mord (35) und sexuelle Gewalt (23).

Wie in den Vorjahren verzeichneten weiterhin die Bundesstaaten Roraima (47), Mato Grosso do Sul (43) und Amazonas (36) die höchste Zahl von Morden an Indigenen. Die Daten, die insgesamt 208 Morde umfassten, wurden zusammengestellt auf der Grundlage des Informationssystems zu Sterblichkeit (Sistema de Informação sobre Mortalidade, SIM) und der Informationen von SESAI (Secretaria de Saúde Indígena, Sekretariat Indigenengesundheit), die Cimi dank des Gesetzes über den Zugang zu Informationen (Lei de Acesso à Informação, LAI) erhalten hatte.

Besonders hervorzuheben sind die Morde durch Schüsse an dem 23-jährigen Pataxó Samuel Cristiano do Amor Divino und dem 16-jährigen Nauí Pataxó zu Beginn des Jahres im äußersten Süden Bahias. Sie lebten in einem Zurückgewonnenen Territorium [„retomada“] des IT Barra Velha do Monte Pascoal und wurden gezielt ermordet, als sie im Januar in der Nähe Lebensmittel einkaufen gingen.

Das Volk der Pataxó kämpft seit Jahren für die Demarkierung seiner Territorien in dieser Region. Die Konflikte hielten 2023 aufgrund mangelnder Fortschritte bei den Demarkierungsverfahren an und führten zu Schutzmaßnahmen seitens der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte (CIDH / IACHR).

Die Beteiligung von Polizisten an privaten Milizen, gegen die wegen der Morde dieser Indigenen ermittelt wird, weist Ähnlichkeiten mit der Gewalt gegen Indigene in Mato Grosso do Sul auf, wo Polizeikräften vorgeworfen wird, als private Eskorte für Farmer zu fungieren, Informationen auszutauschen und Angriffe von privaten Sicherheitskräften gegen Guarani- und Kaiowá-Gemeinschaften zu unterstützen. Neben illegalen Vertreibungen und gewalttätigen Angriffen auf indigene Lager wurden in der Region auch willkürliche Verhaftungen von Indigenen registriert.

Angriffe von Erzschürfern gegen Indigene vom Volk der Yanomami in den Bundesstaaten Roraima und Amazonas wurden trotz der in der ersten Jahreshälfte im IT Yanomami durchgeführten Operationen im gesamten Jahr 2023 weiterhin registriert. Morde, bewaffnete Angriffe, sexuelle Gewalt und die Abwerbung von Indigenen in die Minen, die interne Konflikte schürte, gehören zum tragischen Bild der anhaltenden Gewalt in diesem Territorium.

Die Zahl der Morde an Indigenen des Volkes Guajajara im Bundesstaat Maranhão blieb weiterhin hoch, insbesondere im IT Arariboia, das seit Jahren von Invasoren verwüstet wird. Auch im Nordosten von Pará kam es wieder zu bewaffneter Gewalt gegen Indigene vom Volk der Tembé und Turiwara im Konflikt mit großen Unternehmen, die Monokulturen und Palmölproduktion betreiben.

Der Mangel an grundlegender Sanitärversorgung und Trinkwasser wurde durch die Klimakrise verschärft, die zu Überschwemmungen im ganzen Land und einer schweren Dürre im Amazonasgebiet führte und so die Vulnerabilität vieler Gemeinden verstärkte

Retomada Guapoy, Amambai (MS), fevereiro de 2023. Foto: Renaud Philippe/projeto Retomada da Terra

In Amambai (Mato Grosso do Sul), im Zurückgewonnenen Territorium Guapo’y Mirin Tujury, trägt eine junge Guarani-Kaiowá Wasser, das sie aus dem etwas mehr als eine halbe Stunde Fußmarsch entfernten Fluss geholt hat. Dieser Fluss liegt an der Grenze zwischen dem Zurückgewonnenen Territorium und einer Sojabohnenfarm, die das Wasser mit Pestiziden verunreinigt.. Foto: Renaud Philippe/Retomada da Terra

Gewalt durch Untätigkeit der staatlichen Stellen

Das dritte Kapitel des Berichts erfasst Fälle von „Gewalt durch Untätigkeit der staatlichen Stellen“ und unterteilt sie in sieben Kategorien. Nach bei SIM konsultierten und von SESAI erhaltenen Daten wurden im Jahr 2023 insgesamt 1040 Todesfälle indigener Kinder im Alter von 0 bis 4 Jahren registriert. Auch hier verzeichneten dieselben Staaten wie in den Vorjahren die höchste Zahl an Fällen: Amazonas, wo es in dieser Altersgruppe 295 Todesfälle gab, Roraima mit 179 Fällen und Mato Grosso do Sul mit 124.

Die meisten Todesfälle bei Säuglingen hatten Ursachen, die durch angemessene Gesundheitsversorgung, Impfung, Diagnose und Behandlung vermeidbar gewesen wären. Unter diesen Ursachen ragt die große Zahl der Todesfälle durch Grippe und Lungenentzündung (141), Durchfall, Gastroenteritis und Darminfektionskrankheiten (88) sowie Mangelernährung (57) heraus.

Informationen aus denselben öffentlichen Datenbanken zeigten, dass es im Jahr 2023 zu 180 indigenen Selbstmorden kam. Die höchsten Raten wurden wie in den Vorjahren in Amazonas (66), Mato Grosso do Sul (37) und Roraima (19) verzeichnet.

In diesem Kapitel sind außerdem folgende Daten für das Jahr 2023 erfasst: allgemeiner Mangel an Hilfeleistungen (66 Fälle), mangelnde Unterstützung im Bildungsbereich (61), mangelnde Unterstützung im Gesundheitsbereich (100), Verbreitung von Alkohol und anderen Drogen (6) und Tod aufgrund mangelnder Gesundheitsversorgung (111), insgesamt 344 Fälle.

In diesem Zusammenhang muss der allgemeine Mangel an Schulinfrastruktur in den indigenen Dörfern in ganz Brasilien sowie an Infrastruktur, Personal und Transportmöglichkeiten für die Gesundheitsversorgung in indigenen Gemeinschaften hervorgehoben werden. Der Mangel an grundlegender Sanitärversorgung und Trinkwasser wurde durch die Klimakrise verschärft, die zu Überschwemmungen im ganzen Land und einer schweren Dürre im Amazonasgebiet führte und so die Vulnerabilität vieler Gemeinden verstärkte.

Es muss noch erwähnt werden, dass Cimi seit diesem Jahr begonnen hat, Todesfälle aufgrund mangelnder Gesundheitsversorgung auf der Grundlage von Daten von SIM und SESAI aufzuzeichnen, was den Anstieg der registrierten Fälle im Vergleich zu den Vorjahren erklärt.

ie neue Regierung erneuerte Verordnungen zur Einschränkung der Nutzung von Gebieten, die die vorherige Regierung hatte auslaufen lassen. Dennoch blieb die Situation besorgniserregend, da die meisten indigenen Territorien mit Präsenz von isoliert lebenden Indigenen, in denen in den vergangenen Jahren Invasionen stattfanden, auch im Jahr 2023 weiterhin Invasionen verzeichneten

Placa de invasor na Terra Indígena Karipuna, onde há presença de indígenas isolados. Foto: Maiara Dourado/Cimi

Schild eines Invasoren im IT Karipuna, wo auch isolierte Indigene leben: „Bitte mein Holz in Ruhe lassen“. November 2023. Foto: Maiara Dourado/Cimi

Isolierte Völker

Das vierte Kapitel des Berichts ist der Analyse der Situation von indigenen Völkern in freiwilliger Isolation gewidmet. Diese Völker, die in den vergangenen Jahren am stärksten vom Abbau der Politik zum Schutz indigenen Landes betroffen waren, sind auch im Jahr 2023 weiterhin ernsthaft bedroht.

Die neue Regierung erneuerte Verordnungen zur Einschränkung der Nutzung von Gebieten, die die vorherige Regierung hatte auslaufen lassen. Dennoch blieb die Situation besorgniserregend, da die meisten indigenen Territorien mit Präsenz von isoliert lebenden Indigenen, in denen in den vergangenen Jahren Invasionen stattfanden, auch im Jahr 2023 weiterhin Invasionen verzeichneten. Mindestens 56 der insgesamt 119 vom Cimi-Team zur Unterstützung der Freien Völker (Equipe de Apoio aos Povos Livres, Eapil) realisierten Aufzeichnungen über isolierte Indigene beziehen sich auf indigenen Territorien, in denen es im Jahr 2023 zu Invasionen oder Sachschäden kam.

Trotz der Erneuerung der Verordnungen zur Nutzungsbeschränkung gab es seitens der Bundesregierung keine Maßnahmen, um den Schutz von isolierten Indigenen zu gewährleisten, deren Anwesenheit außerhalb von derzeit anerkannten Indigenen Territorien registriert wurde, was 37 der 119 von Eapil erfassten Aufzeichnungen entspricht. Ein Teil dieser Fälle ohne Maßnahmen wird von der FUNAI selbst anerkannt, z. B. im Fall der isoliert lebenden Indigenen von Mamoriá Grande in Lábrea (Amazonas).

Trotz einiger energischerer Maßnahmen zur Bekämpfung von Invasoren, wie im Fall des IT Ituna/Itatá im Bundesstaat Pará, waren auch in diesen Territorien die meisten Kontrollen punktuell oder nicht ausreichend, um den Schutz der Gebiete zu gewährleisten. Führungspersonen von ITs wie Vale do Javari im Bundesstaat Amazonas und Karipuna in Rondônia prangerten weiterhin die anhaltende Präsenz von Invasoren an.

III Marcha das Mulheres Indígenas, setembro de 2023. Foto: Maiara Dourado/Cimi

III. Marsch der Indigenen Frauen in Brasília (DF, Bundesdistrikt), September 2023. Foto: Maiara Dourado/Cimi

Gedenken

Das fünfte Kapitel des Berichts ist der Reflexion zum Thema Erinnerung und Gerechtigkeit gewidmet und enthält in dieser Ausgabe zwei Texte. Der erste ist eine unveröffentlichte Studie des Forschers Marcelo Zelic (1963-2023) über die Geschichte der Ausplünderung des TI Ananás in Roraima. Der Artikel präsentiert Vorschläge zur Wiedergutmachung des Schadens, der den Völkern der Macuxi und Wapichana durch die Praxis sogenannter „Vormundschaftsverbrechen“ zugefügt wurde. Es handelt sich um Verstöße, die während der Militärdiktatur begangen wurden, als der Staat das Rechtsinstrument der Vormundschaft nutzte, um den Kampf der indigenen Völker zu boykottieren und ihre Territorien zu verstümmeln. Dieser Text wurde durch Forscher und Verwandte von Zelic herausgegeben, die sein Engagement für Erinnerungskultur und den Kampf für die Schaffung von Mechanismen bewahren möchten, die verhindern können, dass es erneut zu Menschenrechtsverletzungen gegen indigene Völker kommt.

Im zweiten Text des Kapitels wirft einer der Gründer von Cimi, Egydio Schwade, einen Blick zurück auf das erste Instrument, das Cimi entwickelt hat, um Verletzungen der Rechte indigener Völker anzuprangern, und das 2024 fünfzig Jahre alt wird. Das 1974 veröffentlichte Dossier Y-Juca Pirama – Der Indio: Er-der-sterben-muss war der geschichtliche Vorläufer dieses Berichts, der jährlich von Cimi erstellt wird.

Artikel und Analysen

Zusätzlich zu den Kapiteln zur Datensystematisierung enthält der Bericht 2023 auch Texte, die eine vertiefte Reflexion über die in ihm behandelten Themen anstreben. Die Situation der in Brasilien inhaftierten Indigenen und die Bedeutung der physischen und symbolischen Gewalt, die durch das Niederbrennen von Gebetshäusern der Guarani und Kaiowá verübt wird, sind Themen von zweien dieser Artikel. Die detaillierte Analyse von Fällen von Rassismus und ethnisch-rassistischer Diskriminierung von Indigenen sowie die Bewertung der Engpässe und Herausforderungen der Indigenenpolitik aus der Perspektive des Haushalts und der im Jahr 2023 getätigten Ausgaben sind die Themen zweier weiterer Texte.

Die Plattform Caci, eine digitale Karte, die Informationen über die Morde an Indigenen in Brasilien sammelt, wurde aktualisiert mit Informationen aus dem Bericht Gewalt gegen Indigene Völker in Brasilien – Daten aus dem Jahr 2023. Caci, ein Akronym für Cartografia de Ataques Contra Indígenas (Kartografie der Angriffe auf Indigene), bedeutet auf Guarani „Schmerz“. Durch die Einbeziehung der Daten aus dem Jahr 2023 umfasst die Plattform nun georeferenzierte Informationen zu 1.470 Morden an Indigenen in den seit 1985 zusammengestellten Fällen.

Online verfügbar bei: caci.cimi.org.br.

Aus dem Portugiesischen ins Deutsche übersetzt von Monika Ottermann

Der Report Gewalt gegen die Indigenen Völker in Brasilien ist eine jährliche Veröffentlichung des Indigenisten-Missionsrates (Conselho Indigenista Missionário, Cimi), einem Organ, das der Brasilianischen Bischofskonferenz (Conferência Nacional dos Bispos do Brasil, CNBB) angeschlossen ist. Cimi wurde 1972 gegründet und engagiert sich seit 52 Jahren für die indigene Sache.

Foto auf dem deckblatt: Das Zurückgewonnenen Territorium Guapo’y Mirin Tujury in Amambai (Mato Grosso do Sul), Februar 2023. Laisquene, ein dreijähriges Guarani-Kaiowá-Mädchen, in einer Baracke aus Plastikplanen in dem Territorium, in dem sie mit ihren Eltern lebt. Im Vorjahr wurden Anführer des Territoriums ermordet. Die Gemeinde kämpft weiterhin für die Demarkierung des Landes. Das Foto stammt von Renaud Philippe und ist Teil des Projekts Retomada da Terra (Rückgewinnung des Landes) von Renaud Philippe und Carol Mira. Gleiches gilt für die anderen dieser Serie, die den Bericht illustrieren. Weitere Informationen: renaudphilippe.com

 

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